Meine Tochter (14) hat seit gut 7 Monaten einen sehr lieben Freund. Er ist bereits 16 und schulisch ein ziemlicher "Überflieger", hat eine Klasse übersprungen und studiert bereits neben der Schule im Frühstudium an der Uni. Vorneweg: er hat sie nie spüren lassen, dass er deshalb etwas "Besseres" wäre, ganz im Gegenteil, er bewundert meine Tochter sehr offen, ein wirklich ganz lieber Mensch und es war immer extrem süß, die beiden zusammen zu sehen. Sie bewundert ihn auch sehr für das, was er da alles leistet - das ist aber umgekehrt genauso. Sie haben sich immer gegenseitig motiviert, vor Prüfungen hat sie ihm seitenweise Briefe geschrieben, Videos mit Liebesbotschaften geschickt usw, also wirklich zuckersüß.
Nun hat meine Tochter aber speziell in den letzten Wochen oft mal heftige Stimmungsschwankungen (die ja auch normal sind in der Pubertät), das geht innerhalb von Minuten und leider hat sie diese wohl nun etwas zu oft an ihrem Freund ausgelassen. Der war wirklich extrem geduldig, wenn sie ihn mal wieder "angezickt" hat, obwohl er selbst durch sein Studium und Schule extrem eingespannt ist und deshalb nun auch zwei Wochen flach lag. Auch das wurde ihm von meiner Tochter indirekt zum Vorwurf gemacht, da er dann logischerweise Treffen mit ihr absagen musste. Auch da habe ich mich schon immer wieder eingemisch und ihr versucht klarzumachen, dass niemand sich Krankheit aussucht und sie einfach nicht immer die erste Geige in seinem Leben spielen kann. Ich bin mit dem Freund über Snapchat verlinkt (das weiß meine Tochter auch), wir haben vor Weihnachten wegen einer Überraschung für sie mal öfter geschrieben und auch, wenn es darum ging, ob wir ihn in der Früh auf dem Weg zur Schule mitnehmen sollen (dass ich hier direkt an ihn schreibe, war ausdrücklich von meiner Tochter gewünscht). Teilweise hat der Freund mich dann auch direkt angeschrieben, weil er sich Sorgen machte, wenn meine Tochter mal wieder "Drama" macht oder ihm komische oder gar keine Antworten geschrieben hat.
Nun war am Freitag mal wieder so ein Tag, sie hat sehr lange und viel geweint, was ich nur sehr schwer aushalten kann. Ich hab dann länger mit ihr gesprochen und bin dann denke ich zum Kern der Sache vorgestoßen, warum sie manchmal so reagiert: sie hat Angst, nicht mithalten zu können. Sie ist wirklich gut in der Schule, sie ist beliebt, hat Freundinnen, sie ist hübsch - aber halt kein solcher "Ausnahmeschüler" wie der Freund, den natürlich jeder in der Schule kennt und jeder weiß auch, dass die beiden ein Paar sind. Er gibt auch Nachhilfe und hat ihn dann wohl öfter mal was von Mitschülerinnen oder Studienkollegen erzählt, was diejenigen mit Auslandsjahren etc beeindruckendes machen und dann ist ihr die Sicherung durchgebrannt. Zum einen, weil sie denkt, dass sie nie so außergewöhnlich gut in etwas sein wird, zum anderen ist sie auch eifersüchtig (DIE ist ja in allem toll). Dazu sagen muss ich, dass der Junge sowas von treu und verliebt ist, zudem sehr, sehr gläubig, ich bin überzeugt er hat das in absolut keiner bösen Absicht getan und hat auch keinerlei romantische Gefühle für diese Mitschülerin. Aber bei meiner Tochter ist das wohl so gelandet. Sie hat mir erzählt, dass sie ihm das in einem Brief geschrieben hat und ob wir ihm den nicht bringen könnten (er war immer noch krank dieses Wochenende). Das haben wir dann auch getan, ich fand das für eine gute Idee als Grundlage für ein Gespräch zwischen den beiden - leider ist dieser Brief wohl total falsch bei ihm gelandet. Das Ende vom Lied ist nun, er hat ihr gesagt, dass er sie immer noch sehr liebt, aber erst einmal eine Pause braucht, weil er nicht weiß, über was er noch reden darf, ohne dass sie gleich wieder sauer wird und er derzeit keine Kraft mehr hat, sich darum ständig Gedanken zu machen (er war wirklich, wirklich geduldig in den letzten Wochen). Er möchte das überdenken, sich voll auf Schule und Studium konzentrieren, weil dort wichtige Prüfungen anstehen. Gleichzeitig hat er fest versprochen, dass er sie sehr liebt, mit ihr zusammenbleiben will und das über viele Jahre, er braucht nur eine Pause. Und nun ist meine Tochter vollkommen am Boden zerstört und ich mit. ich bin mir sehr sicher, dass er Wort hält und die Beziehung nicht zu Ende ist, aber sie hat natürlich verständlicherweise Angst. Sie weint stundenlang, hat dick geschwollene Augen und ißt kaum etwas. Es kostet sie sehr viel Kraft, ihm nicht ständig zu schreiben (wenn sie es doch tut, bekommt sie übrigens eine liebevolle Antwort, auch schreibt er ihr jeden Abend "Gute Nacht, ich hab dich lieb" und ich kann ihr noch so sehr sagen, dass das doch ein gutes Zeichen ist. Mein Problem ist, ich leide grade so sehr mit, dass ich mich selbst ganz darin verliere. Meine Gedanken kreisen ständig darum, ob ich nicht etwas tun kann, um ihr zu helfen, sie glauben zu lassen, dass sie nach diesen beiden Wochen wieder glücklich werden. Zugegebenermaßen würde es mir selbst weh tun, wenn diese Beziehung vorbei wäre, da ich mein Kind nie so glücklich gesehen habe wie mit ihm und das wirklich ein supernetter junger Mann ist, der sie eigentlich auf Händen trägt.
Ich höre sie oben weinen und geh sofort zu ihr und weine mit. Wenn sie ihm schreibt, während sie bei mir im Arm liegt, schiele ich auf ihr Handy, was sie da schreibt (das weiß sie), oft lässt sie es mich lesen. Ich weiß, dass sie da selbst durch muss, dass sie diese Erfahrung machen muss und auch, dass sie an der Situation nicht unschuldig ist. Das hab ich ihr auch gesagt und das ist ihr sehr bewusst. Sie war heute auch nicht in der Lage, in die Schule zu gehen. Und ich weiß nicht, wie ich es schaffe, mich hier ein bißchen zu distanzieren, so dass ich ihr trotzdem noch eine Stütze und Hilfe sein kann.
Vielleicht muss ich noch dazu sagen, dass sie Einzelkind ist und sie hat, seit sie 4 ist, Diabetes Typ 1. Unsere Familienverhältnisse sind stabil, mein Mann und ich sind glücklich verheiratet, wir haben keinerlei finanzielle Sorgen und wie gesagt, sie ist gut in der Schule, fleißig und sehr zuverlässig. Aber halt auch ein Teenager mit allen Höhen und Tiefen. Ich bin also irgendwie ständig in Sorge um mein "Baby" und am liebste würde ich wohl jede Handlung, jede Nachricht, die sie jetzt schreibt, vorher mit ihr besprechen. Was natürlich vollkommen kontraproduktiv ist - ich tu es auch nicht - aber ich weiß nicht, wie ich das aus mir rausbekomme?
Sorry für diesen sehr langen Text, allein es alles schon einmal aufzuschreiben, hat geholfen :-)
Liebe VerenaH,
ich begrüße Sie bei uns im Elternforum.
Schön, dass Sie zu uns gefunden haben und auf diese Weise sich entlasten.
Einige Impulse dazu möchte ich gerne als Moderatorin des Forums loswerden.
In Ihrem Betreff ist vieles gesagt: Sie wissen, dass es sich um „Liebeskummer“ handelt und Sie stellen fest, dass Sie sich „zu sehr einmischen“.
Eine Stelle ist mir besonders aufgefallen und es könnte sein, dass es darum geht. Ihre Beschreibung des Jugendlichen als „junger Mann“ hat mich stutzig gemacht. Ihre Sicht und Ihre Erfahrung als Erwachsene auf beide noch Jugendliche und das Wissen darüber, dass die emotionale Reife bei beiden Jugendlichen noch nicht gegeben sein kann, könnte Ihnen mit Sicherheit etwas helfen und Distanz schaffen.
Wenn man sehr intelligent ist, ist man emotional und sozial nicht unbedingt reifer oder entwickelter. Vielleicht sogar im Gegenteil? Es könnte sein, dass es gerade dann im zwischenmenschlichen Bereich einiges auf der Strecke geblieben ist oder einfach nicht geleistet werden kann, weil man schon kognitiv so viel leistet und diese Ziele vermutlich hauptsächlich verfolgt hat und es auch weiterhin vermutlich machen wird. Sie als Erwachsene können es im Blick haben und bedenken, vielleicht realistischer darauf blicken, ohne ihn zu idealisieren. So schaffen Sie möglicherweise etwas Abstand: indem Sie realistisch sind und das Ganze sehen. Das unterscheidet Sie von Ihrer Tochter.
„Verliebtheit“ ist ein Zustand, den man nicht wirklich heilen oder behandeln kann. Es ist schwer mit auszuhalten und es dauert eine Weile. Gedulden Sie sich und versuchen Sie Ihre Tochter nicht zu „retten“. AUSHALTEN ist die Devise. Ihre Tochter braucht Zeit und eigene Ressourcen und Stärke, um wieder zu sich zu kommen und zu realisieren, dass sie ihre Gründe hat, um solche Stimmungen wegen ihm gehabt zu haben. Sie wird ihre Gründe haben, um so reagiert zu haben. Etwas oder jemand hat ihr in dieser Beziehung gefehlt vielleicht und es war nicht das Richtige für sie, wenn sie so an sich zweifelte und immer noch zweifelt. So perfekt war es doch nicht und sie muss einfach realisieren und weniger idealisieren, anstatt sich selbst in Frage zu stellen. Beide Jugendliche probieren noch aus, suchen sich, entwickeln sich, haben noch das Leben vor sich und müssen jeder für sich eigene Entwicklung und Identitätsbildung durchgehen. Sie reifen noch beide und machen ihre zwischenmenschliche Erfahrungen, die nicht ideal sind und durch Leistung oder Kontrolle alleine nicht zu meistern sind. Es muss sich noch etwas anderes entwickeln und es könnte sein, dass Ihre Tochter etwas Unterstützung für ihren Selbstwertgefühl braucht. Gerade jetzt.
Wichtig ist: keiner von beiden ist schuld daran! Es ist sehr natürlich und altersgemäß, so durcheinander zu sein oder auf Abstand zu gehen.
Wie können Sie als Mutter damit umgehen? Gute Frage!
Sie haben einige Verhaltensweisen bei sich festgestellt, die Sie selbst nicht adäquat finden. Was könnten Sie ab heute anders machen?
Vielleicht nicht mehr lesen, was sie schreibt? Wie wäre es für Sie?
Möchte Ihre Tochter das oder ist es ihr egal?
Was ist für Ihre Tochter eigentlich ok und was möchte sie von Ihnen als Mutter?
Was braucht sie wirklich von Ihnen gerade?
Schreiben Sie Ihre Ideen und teilen Sie mit anderen Eltern. Hoffe, Sie können hier bei uns im Elternforum einiges bekommen.
Freundliche Grüsse
bke-Kira-Morgenthal